Rund 120 Personen folgten am 2. Mai der Einladung des Dachverbands Hospize Schweiz ins Hotel Schweizerhof in Luzern. Auf dem Programm der öffentlichen Veranstaltung standen Einblicke in das Alltagsleben in Schweizer Hospizen, vermittelt von Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Berufsgruppen. Das Publikum folgte den spannenden und sehr fokussierten Ausführungen gebannt und mit grosser Ausdauer.

Schon das Setting auf der Bühne widersprach allen Erwartungen: Die sieben Gäste und Dr. Sibylle Jean-Petit-Matile, die als Vize-Präsidentin des Dachverbands als Gastgeberin den Nachmittag moderierte, reihten sich in ihren gediegenen Polstersesseln auf wie Perlen auf einer Schnur. Zwischen ihnen kleine Tischchen und das warme Licht von Stehlampen aus der guten Stube, vermittelte sich so der Eindruck eines lauschigen Treffens zuhause. Gewollt, wie die Moderatorin betonte, sei doch dies eines der hervorstechenden Wesensmerkmale von Hospizen: Sie versuchten, ihren Bewohnern einen Ort „fast wie zuhause“ anzubieten, an dem Menschen am Lebensende zur Ruhe kommen und mit ihren Angehörigen gut begleitet die letzte Wegstrecke bewältigen können.

Jede/r der Referenten schaffte es, seinem Kurzvortrag eine besondere Note zu verleihen: Hans Peter Stutz, Geschäftsleiter sowohl des Dachverbands wie auch der Stiftung Hospiz Zentralschweiz, nahm das Publikum zunächst mit auf eine kleine Reise durch die Jahrhunderte, um die Herkunft des Begriffs „Hospiz“ zu erläutern. Wichtigste Erkenntnis: Die vor allem in der Schweiz gebräuchliche Bezeichnung „Sterbehospiz“ stammt aus den Anfängen der Sterbehilfe-Organisationen in den 80er Jahren, die ursprünglich tatsächlich Häuser errichten wollten, in denen der Vollzug des begleiteten Suizids hätte möglich sein sollen. Dass daraus nichts wurde, ist den Finanzierungsproblemen zu verdanken. Der Begriff hat sich dennoch im Bewusstsein der Öffentlichkeit weiter gehalten. Sehr zum Leidwesen der heute bestehenden Hospize, die sich sämtlich als „Häuser des Lebens“ verstehen. Denn sie begleiten Lebende bis zum Schluss; die Durchführung eines begleiteten Suizids ist in diesen Häusern nicht gestattet.

Pfarrer Andreas Haas aus Zug, der sich als Stiftungsrat für das Hospiz Zentralschweiz engagiert, beschrieb als Vertreter der Spiritual Care die Verbindung zwischen den Sinnfragen des Lebens und gutem Essen. Mit Verweis auf das letzte Abendmahl, dem Kern der christlichen Kultur, stellte er fest, dass angesichts des nahenden Todes nicht mehr viel zu sagen bliebe. Aber es bleibe die Möglichkeit, Gemeinschaft zu leben im miteinander essen.

Die Luzernerin Margret Füchsle, die in verschiedenen Kontexten Palliative Care und Hospizarbeit gelebt hat, stellte subtil, aber eindringlich klar, dass die Aufgabe der Pflege weit mehr ist als die rein medizinisch-pflegerische Versorgung: In der Selbstverständlichkeit pflegerischer Handlungen ergäben sich Momente der Nähe und des Vertrauens, in denen Dinge geschehen und Gespräche geführt werden könnten, die sich so nie „organisieren“ liessen.

Auch der Palliativmediziner Dr. Daniel Büche aus St. Gallen, der sich dort neben seiner Arbeit im Kantonsspital aktiv für die Realisierung eines Hospizes einsetzt, bestach durch seine schlichte und bescheidene, eindringliche Position: Befragt nach der Haltung eines Mediziners hob er hervor, dass im Kontext eines Hospizes, der Palliative Care am Lebensende das medizinische Handeln in den Hintergrund tritt. „Ich bin nicht mehr der Macher, ich bin Begleiter.“ Das habe zur Folge, dass neben seinem medizinischen Wissen andere Fähigkeiten gefragt seien – Zuhören zum Beispiel und oft einfach da sein.

Da sein, das ist auch der Kern der Freiwilligenarbeit, wie Dieter Hermann erläutert, Langzeit-Freiwilliger und im Nebenamt Geschäftsführer des Hospizes Aargau in Brugg. Man leiste hier seinen Dienst in erster Linie als Mensch. Dazu bedürfe es keiner theoretischen Qualifikationen. Es sei jedoch unbedingt wichtig, das Erlebte im Austausch und in Supervisionen zu be- und verarbeiten.

Was Patienten und ihre Angehörigen unter Umständen am dringlichsten benötigen, davon konnte die Sozialarbeiterin Daniela Meier berichten, die ihre Aufgaben im Palliativzentrum Hildegard in Basel erfüllt. Es sei oft nicht der Schmerz das schlimmste Problem. Sie unterstützt und berät, kennt auch das erweiterte Netzwerk, das in der Ausnahmesituation einer begrenzten Lebenserwartung hilfreich sein kann.

Ganz wesentlich um die Betroffenen selbst und weniger um die Angehörigen, die sonst im Hospiz selbstverständlich mit einbezogen werden, geht es, wenn Michaela Hellenthal, Kunsttherapeutin im Zürcher Lighthouse, mit ihnen in Kontakt kommt: Ob die Menschen noch die Kraft haben, selbst gestalterisch tätig zu werden, ob sie sich über schon bestehende Bilder austauschen oder ob sie selbst gar ein Bild „diktiert“ bekommt und im Auftrag des Kranken gestaltet – die Auseinandersetzung mit Bild und Gestaltung eröffnet den Menschen neue Ausdrucksmöglichkeiten, für die Worte oft fehlen. Das kann sehr viel Kraft geben, wie die Kunsttherapeutin anhand von zwei Beispielen und Bildern, die sie mitgebracht hat, erläutert.

Eine Kraftquelle sind nicht nur in Hospizen immer wieder Beziehungen und Begegnungen, und die müssen nicht unbedingt mit Menschen stattfinden. Im Gegenteil! Brigitte Schildknecht, die mit ihrer Therapiehündin Lupa zu Gast ist, die sich auf der Bühne in ihrem Korb wohlig eingerichtet hat, weiss viele Geschichten zu erzählen, was die Begegnung von Mensch und Tier auslösen kann. Wesentlich in der Hundetherapie sind dabei zwei Dinge: Der künftige Therapiehund muss einen geeigneten Charakter mitbringen und sich vor allem gern streicheln lassen. Und in den späteren Einsätzen, die neben Hospizen auch in anderen Umgebungen wie z.B. Schulzimmern oder Blindenheimen stattfinden können, muss der Hund wählen dürfen, wie weit er sich auf die Menschen einlässt – er muss nichts tun, wozu er nicht bereit ist und wählt so auf eine beeindruckende Weise, die oft bedeutsam ist, zwischen Nähe und Distanz.

Die Zeit an diesem Mai-Nachmittag im Hotel Schweizerhof ist wie im Fluge vergangen. Gern folgen die Gäste der Einladung des Dachverbands zum anschliessenden Apéro im Foyer. Hier werden neue Kontakte geknüpft und bestehende Netzwerke gepflegt. Womit ein wichtiger Auftrag des Dachverbands Hospize Schweiz erfüllt worden ist. Die nächste öffentliche Veranstaltung ist für Frühjahr 2018 geplant und wird frühzeitig über diese Website kommuniziert.